Die Betriebsschließungsversicherung: Existenziell für lebensmittelnahe Betriebe - ebenso rund ums Heilwesen

Von | 29. Juni 2020 | Produkte |

Deutschlandweit wurden aufgrund von Verordnungen der Landesregierungen zu Covid-19 zahlreiche Betriebe und Einrichtungen geschlossen. Darunter viele Hotels, Gastronomiebetriebe und Betriebe rund um das Heilwesen.

Wolfgang Hannsmann - Vorstandsvorsitzender der HDI Vertriebs AG
Wolfgang Hannsmann - Vorstandsvorsitzender der HDI Vertriebs AG

Dadurch entstanden enorme Einbußen aufgrund verlorener Einnahmen und viele Unternehmen sind in ihrer Existenz bedroht. Viele Fragen haben sich aufgetan: Tritt die Betriebsschließungsversicherung im Schadenfall ein? Ist der Lockdown ein Schadenfall? Wie verhält es sich bei den Soforthilfemaßnahmen, oder bei Kurzarbeit?

WIFO hakt nach

Im Interview mit Herrn Wolfgang Hannsmann, Vorstandsvorsitzender der HDI Vertriebs AG, konnte Armin Bajus, Handlungsbevollmächtiger der WIFO GmbH, unsere Fragen zu diesem Thema stellen.

Armin Bajus: Herr Hanssmann, bereits Ende März hat HDI erklärt, dass Betriebsschließungen aufgrund des neuen Coronavirus in der Betriebsschließungsversicherung (BSV) mit abgedeckt sind. HDI geht hier anders vor, als der Markt. Was sind Ihre Beweggründe?

Wolfgang Hanssmann: Ich kann hier nicht für andere Versicherer sprechen, aber für uns als HDI Versicherung war das Wohl unserer Kunden entscheidend. Der Kerngedanke der BSV besteht doch vor allem darin, Betrieben aus lebensmittelnahen Bereichen oder dem Heilwesen eine Option zu bieten, sich gegen Risiken aus einer Schließung auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes abzusichern. Dabei ist man bisher immer von lokal begrenzten Schadenereignissen wie Legionellen oder Salmonellen und von behördlichen Einzelverfügungen dazu ausgegangen. Niemand in unserer Branche hat damit gerechnet, dass es zu flächendeckenden Schließungen von tausenden Betrieben, auf der Grundlage von präventiven Allgemeinverfügungen, kommen könnte. Dies sollte jetzt aber nicht zum Problem unserer Kunden werden. Daher war für uns von Anfang an klar, dass wir im Zweifel zum Wohle unserer Kunden entscheiden.

Bajus: Herr Hanssmann, können Sie hier noch weiter ins Detail gehen?

Hanssmann: Kunden, die bei der HDI Versicherung eine BSV mit Bezug auf das Infektionsschutzgesetz abgeschlossen haben, durften aufgrund unserer Bedingungen zu jeder Zeit darauf vertrauen, dass auch neuartige Krankheiten und Erreger von ihrem Versicherungsschutz erfasst sind. Der neu entdeckte Coronavirus fällt hierunter, auch wenn dieser nicht separat aufgeführt wird. Dazu stehen wir nun selbstverständlich. Betriebsschließungen, aufgrund des Coronavirus sind somit in bestehenden Policen bei uns mitversichert. Kundenorientierung ist bei uns nicht nur eine Floskel, sondern wir leben sie auch.

Bajus: Obwohl neuartige Krankheiten und Erreger in den BSV Bedingungen mit aufgeführt sind, ist die HDI der bayrischen Lösung beigetreten. Warum?

Hanssmann: Der Grund dafür ist die besondere Situation der Hotelbranche. Diese ist genauso betroffen, wie Restaurants, Gaststätten und Bars. Der entscheidende Unterschied ist aber, dass gegen Hotels keine Schließungsanordnungen ausgesprochen wurden. Die Hotelbranche hatte aber durch andere massive Einschränkungen dennoch hohe Umsatzeinbußen: Hotels durften zwar geöffnet bleiben, durften aber nur eingeschränkt Übernachtungsgäste aufnehmen. Geschäftsreisende und Touristen blieben weg. Dadurch, dass keine Schließanordnung ausgesprochen wurde, fehlt jedoch eine wesentliche bedingungsgemäße Voraussetzung für den versicherten Schadenfall. Mit dem Beitritt zur bayrischen Lösung bieten wir deshalb Hotelbetreibern eine schnelle und sinnvolle Lösung, wenn sie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Die Betriebsschließung des Restaurantanteils eines Hotels wird natürlich nach unseren Bedingungen und nicht nach dem bayerischen Modell reguliert.

Bajus: Viele Betriebe befürchten, dass die staatlichen Unterstützungen nicht gezahlt werden, wenn es zu einer Zahlung aus der BSV kommt oder dass diese mit angerechnet werden. Wie steht HDI dazu?

Hanssmann: Um hier von Anfang an für Klarheit zu sorgen, haben wir dazu ein Gutachten erstellen lassen. Aus diesem geht eindeutig hervor geht, dass Zahlungen aus der BSV unabhängig von staatlichen Unterstützungen, wie beispielsweise Soforthilfemaßnahmen oder Kurzarbeitergeld, betrachtet werden müssen. Schließlich gilt auch bei der BSV das Bereicherungsverbot.

Bajus: Sie haben am Anfang erwähnt, dass Sie in der aktuellen Krise zu Ihren Kunden stehen. Nun sprechen Sie aber Änderungskündigungen aus. Steht dies nicht in einem Wiederspruch zu Ihrer Aussage?

Hanssmann: Corona Krise und die flächendeckenden Betriebsschließungen haben einen Konstruktionsfehler der BSV deutlich gemacht, der jetzt mit neuen Bedingungen bereinigt und das Bedingungswerk entsprechend angepasst werden muss. Denn auch wenn wir jetzt geleistet haben - Betriebsschließungen aufgrund von präventiven Allgemeinverfügungen entsprechen nicht dem Grundgedanken und der Leistungsfähigkeit der BSV.

Bajus: Sind Pandemien wie am Beispiel Coronavirus, somit nicht über die BSV versicherbar?

Hanssmann: Die betrieblichen Folgen einer Pandemie sind auch weiterhin über eine BSV versicherbar. Werden Betriebe, aufgrund meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger, von Behörden im Zuge von Einzelanordnungen geschlossen, leisten wir auch zukünftig. Alle durch die Pandemie entstehenden Folgen sind privatwirtschaftlich versicherbar, nicht jedoch in Kombination mit flächendeckenden Allgemeinverfügungen.

Bajus: Welche Änderungen nehmen Sie bei den HDI Bedingungen für die BSV vor?

Hanssmann: Auf die wesentliche Veränderung bin ich bereits eingegangen. Zusätzlich wurde in den neuen Bedingungen der BSV eine vierwöchige Wartezeit aufgenommen. Wir hatten einige Kunden, welche erst wenige Tage vor dem offiziellen Shutdown eine BSV abgeschlossen haben. Das Magazin frontal 21 berichtete auch über einen dieser Kunden. Hier entschädigen wir natürlich genau so, wie bei allen anderen Kunden auch. Wir möchten mit der neuen Wartezeit den Betrieben aber einen Anreiz bieten, künftig rechtzeitig vorzusorgen. Weiterhin wurden einige Bedingungen genauer definiert, beispielsweise die Anrechnung staatlicher Leistungen oder der Ausschluss von Mehrfachleistungen für einen Versicherungsfall innerhalb eines Jahres.

Bajus: In den letzten Wochen konnten Sie viele Erfahrungen sammeln. Welche Zukunft sehen Sie für die BSV?

Hanssmann: Für Betriebe aus dem lebensmittelnahen Bereich oder Betriebe rund ums Heilwesen bleibt die BSV existenziell. Makler müssen nun künftig bei Ihrer Empfehlung auch stärker das Verhalten eines Versicherers im Schadenfall berücksichtigen. Die Schadensfälle zeigen, wie flexible Versicherer mit aktuellen Problemen umgehen. Ich gehe davon aus, dass aufgrund des Coronavirus auch andere Branchen sich für die BSV zukünftig interessieren werden. Hier werden wir bald erste Produkte sehen. Als Spezialist für Gewerbeversicherungen sehe ich HDI in diesem Bereich auch für die Zukunft gut aufgestellt

Bajus: Herr Hanssmann, vielen Dank für das Interview.

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